Bericht über die Ausbildung „Tauchen für Menschen mit Behinderung“ beim DUC Stommeln
Dieses einmalige und außergewöhnlich lehrreiche Seminar bietet der DUC Stommeln jedes Jahr in zwei Etappen an. Zielgruppe sind Tauchausbilderinnen und Tauchausbilder, die bereit sind, sich auf den Tauchsport mit einer (für sie zumeist) gänzlich neue Zielgruppe einzulassen und die sich dem Thema „Tauchen mit Handicap“ nähern wollen was – Spoiler! – hervorragend funktioniert hat.
Samstagmorgens auf dem Parkplatz eingetroffen, stellten die Seminarteilnehmer schnell fest, dass die Hauptzielgruppe, um die es in diesem Seminar geht, bereits angekommen war. Fleißig wurde Equipment verladen, Rollstühle geschoben und Seminarunterlagen in die Ausbildungshalle gebracht.
Nach einer kurzen Vorstellung aller Beteiligten sowie der Erwartungsabfrage ging es an die Grundlagen der Arbeit mit Menschen mit Behinderung.
Neben vielen technischen Fragen, einem Exkurs über individuelle Machbarkeit und rechtlicher Bedenken stellten die betroffenen Taucherinnen und Taucher ihre Einschränkungen und ihre besonderen Bedürfnisse beim Tauchsport vor.
Es ging um Prothesen, Hilfestellungen, Verletzungsmuster, persönliche Grenzen, Gefahren und „Best Practice.“ Hier wurden mit allen Beteiligten wechselseitig Erfahrungen ausgetauscht, Fragen geklärt und Hürden abgebaut – immerhin sprang man nach der Mittagspause gemeinsam ins Wasser der „Aquarena Pulheim“, um in gemischten Buddyteams den barrierearmen Tauchsport von der Ausbildungshalle in die Praxis zu verlegen. Hilfestellungen wurden gegeben, Zeichen besprochen (klar, schon rein technisch waren nicht alle möglich) und besondere Konfigurationen an der Ausrüstung bestaunt. Dann ging es an die Tauchgänge mit Spiel & Spaß, Selbsterfahrungen mit dem Hebelift (hätte NIEMALS vermutet, dass so etwas Unkomfortables in Deutschland TÜV bekommen würde) und an diverse Übungen.
Nach Sport, Spiel, Debriefing und Rückbau gab es das Tagesende im Seminarraum, wo alle Teilnehmenden fürstlich verpflegt wurden, Interessierte Rollstühle Probe fahren durften und der Abend genüsslich ausklingen konnte.
Der Sonntag stand unter dem Zeichen der Ausbildung/Assistenz der „Tauchbegleiter DD“, welche die teilnehmenden TL nach beiden Seminaren selbst ausbilden und qualifizieren dürfen, dem barrierearmen Ausbau von Schwimmstätten, dem Thema „Tauchen mit Diabetes“ sowie diverser Fördermöglichkeiten, um bessere Chancen der barrierearmen Ausführung unseres Sports zu schaffen. Seminarteilnahmen rheinland-pfälzischer Mitglieder wurden zum Teil über die INpuls – Prämie des Landessportbundes RLP finanziert.
Nach dem gemeinsamen Ausblick auf die Praxis im Freigewässer der Widdauen bei Leverkusen im Juli 2023 wurden alle Teilnehmenden müde aber glücklich in das Wochenende entlassen.
Dem DUC Stommeln kann man nur zu einer hervorragenden Vereinsleistung beglückwünschen, eine solch aufwändige Veranstaltung mit einem so großen Support vieler Vereinsmitglieder auf die Beine gestellt und neue Maßstäbe im Bereich der „rheinischen Gastfreundschaft“ gesetzt zu haben.
Vielen Dank!
Lars Beyer
Zu dem was Lars sehr anschaulich beschrieben hat, möchte ich noch einige Punkte ergänzen:
An den fünf Stationen mit unterschiedlichen Behinderungen haben wir aktiv mitgearbeitet, das heißt Hilfestellung beim An- und Ausziehen. Wer mit Kindern taucht, weiß was Unterstützung beim Anzuganziehen, Füßlingen und Flossen bedeutet. Dabei können sie, wenn sie wollen, ihr Bein/ihren Arm gerade halten und mithelfen. Hier sind wir auf die Hilfestellung der Taucher mit Einschränkung angewiesen, wir arbeiten zusammen, das heißt für uns: erst fragen und zuhören, dann helfen. Denn es gibt einiges, was falsch gemacht werden kann! Uns wurde z. B. erklärt, warum der Rolli nicht einfach weggeschoben wird oder irgendetwas an der Radstellung geändert wird (auch wenn es gut gemeint ist). Hilfestellungen beim Ein- und Ausstieg im Schwimmbad sind sehr unterschiedlich bei den Tauchern mit verschiedenen Einschränkungen. Ich muss lernen, wann soll ich wo und wie zugreifen soll, damit im Wasser alles richtig konfiguriert ist.
Im Wasser geht das Tauchen sehr gut, die Schwerelosigkeit im dreidimensionalen Raum genießen wir alle und haben Spaß.
Auserhalb des Wassers ist einiges zu beachten. Durch die fünf unterschiedlichen Stationen konnten wir praktisch lernen, welche Möglichkeiten es auserhalb des Wassers durch unsere Hilfe und die Handhabung unterschiedlicher Hilfsmittel gibt.
Natürlich istdie Betreuung nach dem Ausstieg aus dem Wasser sehr wichtig. Ein Unterschied zum Tauchen mit Kindern ist, dass die nach dem Tauchgang dann sehr schnell aus der Ausrüstung und weg sind… Hier muss die Hilfe beim Ausziehen, Ausrüstungs-Abbau/Transport mit allen Helfern koordiniert werden.
Der Faktor Zeit spielt eine große Rolle. Für die Vorbereitung und die Nachbereitung muss genügend Zeit und helfende Hände/Füße eingeplant werden.
Es war ein sehr lehrreiches, auch anstrengendes Wochenende, es hat Spaß gemacht und das gemeinsame Erlebnis, das alle verbindet – DAS TAUCHEN – hat die Unterschiede verwischt. Ich habe viel dazugelernt, der Begriff Inklusion wurde gelebt.
Was ist Inklusion?
Behinderung /Quelle WIKIPEDIA
„Als Behinderung bezeichnet man eine dauerhafte und gravierende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe bzw. Teilnahme einer Person. Verursacht wird diese durch die Wechselwirkung ungünstiger sozialer oder anderer Umweltfaktoren (Barrieren) und solcher Eigenschaften der Betroffenen, welche die Überwindung der Barrieren erschweren oder unmöglich machen
Definitionen von Behinderung, die nur auf eine einzige Ursache abzielen, gelten als überholt.
Grundsätzlich lassen sich Behinderungszusammenhänge grob in folgende Bereiche kategorisieren:
Die erste Frage war: Wie sollen wir euch ansprechen? Menschen mit Behinderung, Menschen mit Beeinträchtigung oder der Menschen mit Handicap?
Die Antwort von allen: zuerst Fragen, dann zuhören und verstehen. Die Art und Weise ist wichtig. Wenn man aus Unkenntnis das Falsche sagt aber das Richtige meint, ist dies ein Weg für ein gemeinsames Verständnis. Wichtig ist, nicht einfach machen, wenn z. B. ein Sehbehinderter an der Ampel steht, ihn nicht einfach auf die andere Straßenseite bringen, oder den Rollstuhl halten/schieben usw.
Wie wird der Sport mit dem jeweiligen mechanischen7elektrischen Hilfsmitteln finanziert?
Es gibt viele sehr weit entwickelte Hilfsmittel und wenn wir uns die Olympics anschauen, können wir nur staunen, was möglich ist! NUR, die Prothesen oder Rollstühle kosten ein sehr viel!
Und wird das einfach so bezahlt?
Leider NEIN. Aber es gibt jetzt Möglichkeiten, denn im Bundes-Teilhabe-Gesetz kurz BMAS ist beschrieben:
„Menschen mit Behinderung dürfen selbst entscheiden, wo sie wohnen oder welchen Beruf sie erlernen wollen. Sie haben das Recht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“ Quelle BMAS
Somit kann ein Taucher für seine Prothese, die durch Tauchen im Wasser/Meerwasser einen höheren Verschleiß durch die mechanische Beanspruchung erfährt, eine Bezuschussung für teurere Materialien/Werkstoffe/Verarbeitung erhalten. Das ist viel Bürokratie, aber ein TL berichtete, nach 3-4 Jahren Kampf mit der Versicherung war es dann doch möglich!
Als Verein versucht der DUC Stommeln finanzielle Förderung an Hilfsmitteln und anderer Art, z. B. ein behindertengerechten Einstieg in ihr Tauchgewässer zu organisieren. Jeder weiß, das ist ein enormer administrativer Aufwand, aber der Vorsitzende hat einige Fördergelder über die Kommune, Discounter, Sparkasse, Aktion Mensch organisiert.
Der DUC Stommeln hat durch seinen Vorsitzenden ,viele Helfer und Helferinnen, seine TLs und viel Netzwerk die Inklusion verwirklicht.
Wenn in unseren Vereinen nur ein Taucher mit Einschränkung seine sportliche Heimat findet, wäre das ein Erfolg auch für die Arbeit bei dem Seminar des Vereins!
Herzlichen Dank
Ines Heinrich
Fotos: Ines Heinrich, Lars Beyer, Peter Olejnik